Donnerstag, 03.11.2016 Presse

Behandlung maligner Erkrankungen des Abdomens

Ärztliche Fortbildungsveranstaltung des Tumorzentrum Oberfranken e.V., des Ärztlichen Kreisverbands Kronach und der Onkologischen Schwerpunktpraxis Dr.med. Peter Anhut in der HELIOS Frankenwaldklinik Kronach

Von links nach rechts: Dr. Fleischmann, Dr. Reinisch, Prof. Dr. Grützmann, Dr. Anhut, Prof. Dr. Keilholz, Prof. Dr. Sackmann, PD Dr. Fischer (Bild: R. Glissnik)
Dr. Uwe Fleischmann
Prof. Dr. Robert Grützmann

Eine Zusammenfassung von Rainer Glissnik, Neue Presse Kronach 1./2. 11. 2016

Kronach – Krebs ist für die heimischen Ärzte der Region ein enorm wichtiges Thema. Viele nutzten die Gelegenheit, sich bei einer Veranstaltung des Tumorzentrums Oberfranken und des Ärztlichen Kreisverbands Kronach in der Helios Frankenwaldklinik fortzubilden. Ziel ist, den Patientinnen und Patienten ein möglichst langes und gutes Weiterleben zu ermöglichen. Lebensqualität spielt eine entscheidende Rolle bei allen Behandlungen.

„Wir in Franken sind extrem gut aufgestellt, aber wir brauchen viel interdisziplinäre Zusammenarbeit“, unterstrich der stellvertretende Vorsitzende des Tumorzentrums Oberfranken Professor Dr. med. Michael Sackmann, Chefarzt der Medizinischen Klinik „Am Bruderwald“ Bamberg und stellvertretender Vorsitzender des Tumorzentrum Oberfranken. „Das pflegen wir mit dem Tumorzentrum Oberfranken. Das ist für uns noch wichtiger als in Metropolregionen, weil wir auf dem flachen Land auch einen guten Austausch brauchen.“ Es gelte fränkische Kompetenz zu vernetzen und zu bündeln. 
Einen Brückenschlag aus regionaler und externer Kompetenz sah der Vorsitzende des Ärztlichen Kreisverbands Kronach Uwe Fleischmann in der Veranstaltung.

Eröffnet wurde diese vom neuen Lehrstuhlinhaber an der Uni Erlangen, Professor Dr. Robert Grützmann. Der Direktor der Chirurgischen Klinik an der Universitätsklinik Erlangen Grützmann studierte an der Charitè in Berlin, arbeitete lange in Dresden, wo er für Pankreaschirurgie und Gefäßchirurgie verantwortlich war. Seit einem Jahr ist er in Erlangen. „Ich bemühe mich, dort vieles weiterzuentwickeln“, versicherte er.

Er erläuterte Standards beim Pankreaskarzinom (Bauchspeicheldrüsenkrebs). „Das Pankreaskarzinom können wir heute nicht heilen, aber wie können etwas erreichen“, betonte er. In Amerika zeigten Studien, wie sich die Krankheit mit und ohne Maßnahmen entwickle, weil dort viele Patienten kein Geld für Operationen haben. Diese zeigten klar, dass mit Operation einige Jahre längeres Leben in einigermaßen Qualität erreicht werden kann. „Wir können heutzutage relativ viel machen.“ Bei uns würden auch 80jährige Patienten operiert wenn sie wenn sie relativ fit sind. Der Mediziner sprach die verschiedensten Operationsmöglichkeiten an. Dabei steht im Vordergrund dass der Patient möglichst viel davon profitiert. Deutlich wurde wie individuell die Behandlung der Patienten ist um möglichst viel für sie zu erreichen. „Es sind Sachen die muss man individuell mit dem Patienten besprechen.“ Ziel ist ein besseres Überleben.

Auch durchaus effektive Therapien die noch kein Standard sind wurden gezeigt, gerade auch für Patienten in einem fortgeschrittenen Stadium. Erste Pflicht des Chirurgen sei eine perfekte Qualität. Jüngere sterben heute deutlich seltener. Bei Komplikationen muss interdisziplinär zusammengearbeitet werden. Die Diagnostik verbessere sich stetig. Eine molekulare Diagnostik schreitet voran. Eine große internationale Kooperation ist sehr aktiv. Neue Medikamente und chirurgische Techniken sind im Kommen.

Privatdozent Dr. med. Frank Fischer, Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie an der Helios Frankenwaldklinik Kronach, informierte über aktuelle Chirurgie bei kolorektalen Karzinomen (Darmkrebs). Bei jedem Karzinom sollte es eine interdisziplinäre Tumorkonferenz geben. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit sei enorm wichtig. Bei Operationen werde das gesamte Abdomen - der Bereich des Rumpfes zwischen Brustkorb und Becken - betrachtet. Die Darmkrebs-Chirurgie beinhalte nicht alles. Manchmal seien auch andere chirurgische Bereiche gefordert. Ziel sei immer die Nerven zu schonen. Die natürliche Kontinenz soll erhalten werden, aber nicht um jeden Preis. An erster Stelle stehe das onkologische Ergebnis. Eine Stomaanlage müsse kommen wenn sie angezeigt ist. Konventionelle und Laparoskopische Chirurgie seien möglich. Viele Eingriffe würden in Hybridtechnik durchgeführt, also unter Verwendung beider Techniken.  Die Zusammenarbeit mit den Chirurgen sei enorm wichtig, erklärte Dr. Anett Reinisch, Chefärztin der Klinik für Gynäkologie an der Helios Frankenwaldklinik Kronach, die über aktuelle Therapiestrategien beim Ovarialkarzinom (Eierstockkrebs) sprach. Gemeinsam werde die voroperative Diagnostik betrieben und gemeinsam stehen sie am OP-Tisch. Fünf bis zehn Prozent dieser Erkrankungen sind genetisch bedingt. 75 Prozent der Erkrankungen werden erst in einem späten Tumorstadium erkannt. Die Überlebensrate hängt sehr stark mit dem Stadium des Erkennens zusammen. Bisherige Versuche einer früheren Erkennung zeigten noch keinen Erfolg. An erster Stelle stehe die Operation. Dies erhöht die Überlebenszeit insgesamt erheblich. Dabei sei die Operation des fortgeschrittenen Ovarialkarzinoms eine erhebliche Herausforderung. In 50 Prozent müsse auch Darm entfernt werden. Auch hier sei eine interdisziplinäre Zusammenarbeit erforderlich, gerade auch mit Anästhesisten. Ziel sei immer die Entfernung des gesamten Tumors.

Egal wie die Operation gelinge, 50 bis 75 Prozent der Patientinnen im fortgeschrittenen Stadium erleiden innerhalb der ersten drei Jahre ein Rezidiv. Der Krebs kehrt zurück. Ziele sind eine Verlängerung des Gesamtüberlebens bei Erhaltung der Lebensqualität. Alle betroffenen Frauen erhalten eine Systemtherapie, die nachgewiesen das Überleben verbessert. Viele Erkenntnisse über den Einsatz und die Zusammensetzung von Chemotherapien ergeben sich aus etlichen Studien. Einzelfallentscheidungen müssen die Wünsche der Patientinnen berücksichtigen. Es sei keine nebenwirkungsfreie Therapie. 
Neue Möglichkeiten durch neue Medikation können in speziellen Fällen das Überleben um weitere Monate verlängern. Auch ein neuer Antikörper stehe zur Verfügung, der die Immunabwehr stärkt. Auch wenn es sehr wenig klingt, erhöhe dies die Überlebensrate.

Alle Onkologen setzen auf die Einführung der Checkpoint-Inhibitoren, die Schnittstelle zwischen Körper und Tumorzelle. Die Erkennung der Tumorzelle durch den Körper spiele eine entscheidende Rolle. Diese Inhibitoren verhindern die Flucht der Tumorzelle vor dem Immunsystem.

"Pankreaskarzinom ist nicht gut heilbar, aber er kenne Menschen die diese Erkrankung seit mehr als zehn Jahren überleben", erläuterte Dr. Peter Anhut, Onkologische Schwerpunktpraxis Kronach. Dieses Jahr sei man kleine Schritte weitergekommen. Eine neue experimentelle Therapie habe gut beherrschbare Nebenwirkungen, aber einen erheblichen Überlebensvorteil um etwa 2,5 Monate länger im Durchschnitt. „Wir wollen mehr erreichen“, machte er deutlich. Ein Fünfjahres-Überlebensvorteil von 13 Prozent mache Hoffnung. „Wir sollten den Patienten diese Therapie anbieten. Es ist ein neuer Standard für mich.“ Aktuell sei dies noch nicht zugelassen. Immer wieder kommen Patenten in einem Krankheitsstadium, in dem es nicht mehr um das Überleben geht. Dann stelle sich die Frage: Was ist die beste palliative Therapie? In den letzten zehn Jahren wurden gute Fortschritte erzielt. Zur Chemotherapie kommen neue Substanzen, dazu verschiedene Antikörper. „Die Onkologie entwickelt sich rasant.“

Um Strahlentherapie von Tumoren der Leber und des Rektums ging es nun. Auch in diesem Bereich kann Bestrahlung eine Rolle bei der Behandlung sein, erläuterte Professor Dr. med. Ludwig Keilholz, Chefarzt der Klinik für Strahlentherapie im Klinikum Bayreuth. Radiochemotherapie sei nach wie vor Standard. Problem seien die Fernmetastasen, die noch immer bei 30 Prozent liegen. Erlanger Studien zeigten viele Hinweise, mit welchen Mitteln ein Überleben verstärkt wird. Ausführlich analysierte er verschiedene andere Studien. Effektivität und Giftigkeit wurden analysiert. Die Strahlentherapie ist eine der Möglichkeiten bei Lebertumoren, wenn operative Methoden nicht gehen. Strahlentherapie an der Leber könne eine lokale Kontrolle bewirken, wenn die Tumoren nicht zu groß sind. Die Strahlentherapie ist sehr wirksam, aber alles andere als nebenwirkungsarm. Wenn die Krankheit nicht mehr operiert, bestrahlt oder chemotherapiert werden kann, hier erläuterte Professor Dr. med. Michael Sackmann, Chefarzt der Medizinischen Klinik „Am Bruderwald“ Bamberg und stellvertretender Vorsitzender des Tumorzentrum Oberfranken, Möglichkeiten der Endoskopie. Endoskopie ist eine medizinische Technik, mit deren Hilfe Ärzte ohne oder nur mit einem kleinen chirurgischen Eingriff Körperhöhlen und Hohlorgane untersuchen.

Die Endoskopie spielt im Rahmen der Palliation – also wenn es nicht mehr um eine völlige Genesung geht – eine große Rolle und kann das Leben sehr erleichtern. Etwa das Einbauen eines Stent bei verschiedenen Karzinomen kann viel Lebensqualität bringen. Blutungen können nebenwirkungsfrei gestillt werden. Wenn Patienten nicht mehr essen oder schlucken können kann viel überbrückt werden.

Vielfältige Einsatzmöglichkeiten wurden aufgezeigt, die das Leben auch im fortgeschrittenen Krankheitsstadium stark erleichtern. Beispiele waren auch die photodynamische Therapie beim Gallengangskarzinom oder die Radiofrequenzablation, die den Tumor verödet.

siehe auch: http://www.heliosaktuell.de/regionen/mitte/tumorexperten-trafen-sich-in-kronach/

http://www.infranken.de/regional/gemeinde/gemeindereporter/Aerzteveranstaltung-in-der-Frankenwaldklinik-Kronach;art146511,2295246

PD Dr. Frank Fischer
Dr. Annett Reinisch
Prof. Dr. Ludwig Keilholz
Dr. Peter Anhut
Prof. Dr. Michael Sackmann
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